Der 25. April 1954 war ein großer Tag für die Photovoltaik. Auf einer Wiese hinter seinem Labor demonstrierte der US-Physiker Daryl Chapin, dass die Energie der Sonne dafür ausreicht, dass ein Sender und ein Empfänger autark miteinander kommunizieren. Die New York Times schrieb begeistert: Diese Erfindung könnte den Anfang einer neuen Ära markieren - die Nutzbarmachung der nahezu grenzenlosen Sonnenenergie für die menschliche Zivilisation.
Und so kam es. Bis zur Vorführung war es allerdings ein weiter Weg. Profane Solarzellen gab es bereits, doch die lieferten wenig Energie. Chapin versuchte mit allerhand Materialien, die Effizienz zu steigern. Zunächst mit Selen. Aber die Ausbeute war noch zu gering. Dann robierte er es mit dem Halbleitermaterial Silizium, dem Grundstoff der damals aufkeimenden ransistorelektronik. Das ging schon besser.
Chapins Weg zeigt, wie mühsam es war, die Photovoltaik zu dem zu machen, was sie heute ist: Eine schier unerschöpfliche, günstige Energiequelle, die der Menschheit hilft, das fossile Zeitalter hinter sich zu lassen. Hatte Chapins Solarzelle noch einen Wirkungsgrad von ein paar wenigen Prozent, so kommen moderne Zellen auf 25 und mehr Prozent. " Der Wirkungsgrad wird weiter steigen, aber es gibt ein physikalisches Limit", sagt Arnd Roth, Technischer Direktor VDE Renewables.
Ziel: 50 Prozent Wirkungsgrad
Weltweit wird an der Zelle der Zukunft geforscht. Führend dabei ist das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Dort arbeiten Forscher und Forscherinnen an der Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von 50 Prozent. Mit sogenannten Mehrfachzellen ernten sie verschiedene Spektren des Lichts. Ihrem Ziel sind sie schon recht nah: 47,6 Prozent - Weltrekord. " Wir sind begeistert von diesem Ergebnis, welches nur ein Jahr nach der Eröffnung unseres neuen Zentrums für höchsteffiziente Solarzellen erzielt werden konnte", sagt Abteilungsleiter Frank Dimroth.
Wie schon Chapin 1954 setzen auch die Freiburger auf verschiedene Elemente, heute sind das unter anderen Gallium, Indium und Arsenid. Doch es gibt noch viel mehr Material-Optionen. „Ein Trend geht zu Perowskit", sagt Roth. Solche Zellen sind zwar einfach und kostengünstig herzustellen, und im Labor erreichen sie Rekordwerte von bis zu 32,5 Prozent, wie es Forschende des Helmholtz-Zentrums für Materialien und Energie in Berlin Ende letzten Jahres vermeldeten. Doch noch beschränkt sich das aufs Labor.
Mindestens 80 Prozent der installierten Paneele bestehen heute aus mono- und polykristallinem Silizium. Und der Wirkungsgrad der Module sei auch nicht immer alles, gibt Arnd Roth zu bedenken. Schließlich müsse das ganze System gesehen werden - inklusive Verkabelung, Wechselrichter und Alterung.
Zudem bringe der beste Wirkungsgrad nichts, wenn die Solarmodule nicht installiert werden können, weil sie optisch nicht gefallen oder Regularien im Weg stehen. Doch auch hier tut sich etwas: Farblich gestaltete PV-Module oder PV-Ziegel fallen kaum mehr auf. " Wenn sich PVSysteme besser ins Bild einfügen, etwa bei denkmalgeschützten Bauwerken, steigt die Akzeptanz - der Wirkungsgrad ist dann gar nicht mehr so wichtig", sagt Roth.
Potenzial für noch viel mehr Strom aus der Kraft der Sonne bieten Dächer bestehender Gebäude. Die Akzeptanz wächst, wenn die Photovoltaikanlagen kaum als solche auffällt - wie bei diesen roten Solarziegeln auf dem Dach eines alten Hauses. 1 © Fraunhofer ISE / Foto: Sarah de Carvalho (1.), © Fraunhofer ISE / Foto: Thomas Kroyer (r.)
Angestoßen hat das Geschäft mit den Solardachziegeln vor einigen Jahren der E-Auto-Pionier Tesla. Doch während diese hierzulande noch nicht eingetroffen sind, haben heimische Hersteller schon geliefert: Im Rahmen des Fraunhofer-Forschungsprojekts „PVHide" wurde im süddeutschen Eppingen auf dem Dach einer alten Turnhalle eine ziegelrote PV-Anlage installiert, die kaum als solche auffällt. Die Anlage produziere mindestens 90 Prozent des Stroms, den eine klassische PV-Dachanlage mit unbeschichteten Gläsern erzeugen würde, heißt es beim Fraunhofer-Institut.
Günstiger kann man Strom nicht erzeugen
All die Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass die PV so erfolgreich ist. Überall auf der Welt werden Anlagen errichtet. Und es werden immer mehr: 2022 wurde die Grenze von einem Terawatt geknackt - mehr als 1000 Gigawatt installierter Leistung gab es global, fast drei Mal mehr als die installierte Kernkraftwerksleistung.
„Die jährlichen Steigerungsraten der gesamten weltweit installierten Photovoltaikleistung waren in den letzten 20 Jahren sehr hoch und lagen durchweg im zweistelligen Prozentbereich", sagt Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme in Berlin. Insbesondere im Eigenheimsektor boome die Nachfrage, heißt es beim Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW).
Treiber der Technik sind, neben dem Umweltbewusstsein, die unschlagbar günstigen Preise. Die sind allein zwischen 2010 und 2020 um 90 Prozent gefallen. Inzwischen zählt die Photovoltaik zu den günstigsten Arten der Stromerzeugung überhaupt. Auch in Deutschland. So heißt es beim Fraunhofer ISE: Neue Megawatt-PV-Kraftwerke produzieren zu Kosten von 3, 1 bis 5, 7 Cent je Kilowattstunde, bei kleinen Dachanlagen liege die Spanne im Bereich von 11 bis 13 Cent.
Bundesweit waren Ende 2022 laut BSW knapp 67 ,4 Gigawatt PV-Leistung installiert. Alles in allem speisten die Anlagen 61,9 Terawattstunden ein - und lieferten rund zwölf Prozent der Nettostromerzeugung. An sonnigen Tagen deckt die PV zeitweise über zwei Drittel unseres Strombedarfs.
Doch der enorme Siegeszug der Sonnenfänger birgt auch Konfliktpotenzial. Laut AmpelRegierung sollen bis 2030 kumuliert 215 Gigawatt stehen - das ist Faktor drei im Vergleich zu heute. Bis 2040 sollen es sogar 400 Gigawatt sein. Je mehr Module installiert sind, desto mehr Strom fließt, vor allem in den Mittagsstunden - wenn die Sonnenstrahlen senkrecht auf die Paneele treffen. Das könnte noch zu Problemen führen, sagt Volker Quaschning: " Sind alle Module nach Süden ausgerichtet, dann ertrinken wir in den Mittagsstunden im Strom."
Geschickter wäre eine über den Tagesverlauf gleichmäßigere Verteilung der Erzeugung. Genau dabei können senkrecht installierte PV-Module helfen. Sie liefern morgens und abends, wenn die Sonne flach steht, am meisten Energie. Fachleute sprechen von netzdienlichem Strom. Der trägt dazu bei, Netzkosten zu verringern. Senkrecht installierte PV-Anlagen erreichen ihre Spitzenleistungen an den Tagesrandzeiten - wenn die Ost-West ausgerichteten Module von der Sonne senkrecht angestrahlt werden. Damit sind sie komplementär zu den gen Süden ausgerichteten Solarkraftwerken. Zudem seien sie korrelativ, sagt Simon Lahr, Spezialist beim Senkrecht-PV-Unternehmen Next2Sun im saarländischen Dillingen: " In den Morgen- und Abendstunden sind die Strompreise hoch, das bringt unseren Kunden höhere Erlöse."
Sonnenstrahlen sammeln, wo die Flieger starten
Kein Wunder, dass die senkrechte PV auf dem Vormarsch ist. Insgesamt sind bundesweit bereits rund 13 Megawatt installiert. Ein sogenannter Solarzaun wurde auf dem Flughafen Frankfurt aufgebaut. Am südwestlichen Ende der Startbahn West steht seit vergangenem Jahr eine Demo-Anlage mit 20 Paneelen und einer Nennleistung von 8,4 Kilowatt. "Die freien Grünflächen innerhalb unseres Bahnsystems sind ideale Standorte für diesen speziellen Anlagentyp", sagt Marcus Keimling, Leitung Netzdienste bei der Fraport AG. Überhaupt spielt die PV eine wichtige Rolle am Frankfurter Flughafen. Seit 2021 liefern Module auf dem Dach einer Frachthalle eine Spitzenleistung von gut 1,5 Megawatt. Weitere Hallendächer sollen bestückt werden. Ziel sei es, die Emissionen bis 2030 um 50.000 Tonnen zu verringern.
„Die Kollektorflächen am Solarzaun sammeln die maximale Energie in den Tagesrandstunden und stellen damit eine sinnvolle Ergänzung zu unseren herkömmlichen PV-Modulen dar, die über Mittag ihre maximale Leistung entfalten. Der Solarzaun ist für uns eine echte Errungenschaft, da wir nur mit dieser Art von Technologie die Flächen in unserem Bahnsystem überhaupt für PV nutzen können. Die senkrechte Anordnung der Panels gewährleistet, dass die darunterliegenden wertvollen Vegetationsflächen voll erhalten bleiben", sagt Keimling. Senkrecht installierte PV-Module bieten sich vor allem in der Landwirtschaft an. Auch dieses Potenzial sei beachtlich, sagt Simon Lahr.
Denn die senkrecht errichteten Module nehmen kaum Platz weg und bieten den landwirtschaftlichen Kulturen Schutz vor Austrocknung und Winderosion. Zudem erreiche Regen ungehindert den Boden. Typischerweise würden die Anlagen mit Reihenabständen von acht bis zwölf Metern errichtet, aber auch größere Abstände seien denkbar - so lassen sich die Flächen maschinell bewirtschaften. Verbaut werden bei senkrechten PV-Anlagen sogenannte bifaziale Module. Die haben, wie es der Name nahelegt, zwei Gesichter und fangen sowohl das direkt eintreffende Sonnenlicht auf der Vorderseite als auch das indirekt eintreffende Licht auf der Modulrückseite ein. Das können gewöhnliche Module nicht. Der Aufbau der bifazialen Module ist demnach auch speziell: Sie bestehen auf ihrer Rückseite aus einer transparenten Folie oder Glas. Je heller der Hintergrund, desto mehr Strom wird über die Rückseite generiert. " Bei optimalen Bedingungen erreichen solche Module deutlich mehr Ausbeute", sagt Volker Quaschning. So verwundert es kaum, dass solche Anlagen selbst in Skandinavien installiert werden - besonders wenn Schnee liegt und die Landschaft weiß ist, also viel Licht zurückgeworfen wird, ist ihre Ausbeute groß.
Schwimmende Solaranlagen
In einer Ende letzten Jahres erschienenen Studie von enervis energy advisors heißt es: Beim großen geplanten PV-Zubau wird das Anlagendesign und der Einfluss des Erzeugungsprofils ein immer wichtigerer Bestandteil eines volkswirtschaftlich optimalen Zubaus von PV-Anlagen. Vor allem senkrecht bifaziale Ost-West-Anlagendesigns in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung können ein wichtiger Bestandteil des Technologie-Mix sein. Nach dem Ende März von der Bundesregierung beschlossenen „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" könnten senkrechte installierte PV-Module einen Schub erleben.
Das Papier sieht vor, zukünftig auch entlang von Autobahnen und Bahntrassen Solaranlagen zu errichten. In den Niederlanden wurde bereits 2018 eine Lärmschutzwand mit integrierten PV-Modulen errichtet. "Das macht grundsätzlich Sinn, entlang der Autobahn ist die Infrastruktur wie Kabelschächte oft schon vorhanden", sagt Roth. Ein weiterer Trend sind schwimmende Anlagen, Fachleute sprechen von „floating solar". Die Module werden dabei auf Stauseen, Baggerseen oder gar auf dem Meer auf Schwimmkörpern befestigt. So lassen sichneue Flächen erschließen und Landnutzungskonflikte minimieren. Vorteilhaft ist zudem die Kühlung der Module durch das Wasser - kältere Module liefern mehr Leistung. Erste Anlagen wurden auch hierzulande bereits errichtet, etwa in Renchen-Maiwald in Baden-Württemberg. Der hier erzeugte Strom wird zum Großteil direkt von dem anliegenden Kieswerk verbraucht. Ebenfalls geeignet sind Braunkohletageseen, von denen es rund 500 Stück in Deutschland gibt. Alle für solche Anlagen nutzbaren Gewässer in der BRD lieferten ein Installationspotenzial von 56 Gigawatt, haben Fraunhofer-Forscher berechnet.
Die schwimmenden Anlagen haben sogar Vorteile gegenüber PV-Anlagen an Land. So müsse kein Boden verdichtet werden, um die Anlagen sicher aufzustellen. Und es bestehe keine Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen, zum Tourismus oder zum Natur- und Landschaftsschutz. Doch nur Vorteile bietet auch diese Variante nicht, gibt Arnd Roth zu bedenken: " Wellenbewegungen erzeugen Vibrationen, die Lötstellen und Steckverbindungen enorm beanspruchen." Roth sieht die Chancen für schwimmende Anlagen daher eher in Ländern, die wenig Platz haben.
PV-Branche in Deutschland stärken Doch bevor aufwendige Schwimmkonstruktionen oder stehende Anlagen aufgebaut werden, bietet es sich an, erst einmal alle Dächer von Gewerbebetrieben zu bestücken. Allein davon gibt es rund 21 Millionen. Genauso Parkplätze, allein deren Potenzial liegt bei 59 Gigawatt.
Ob Dach, Wiese, See oder Parkplatz, die Sonne spielt in unserem Energiemix eine immer wichtigere Rolle. Die Ausbauziele der Bundesregierung sind ambitioniert. Um sie tatsächlich umsetzen zu können, gilt es, den heimischen Markt zu stärken, Abhängigkeiten zu minimieren und Fachkräfte auszubilden. Positiv ist, dass die PV-Branche allmählich wieder Fuß in Deutschland fasst. Nachdem die deutschen Hersteller in den 201 Der-Jahren einen enormen Einbruch erlitten, sind erste Hersteller zurück. So produziert etwa Meyer Burger in der Nähe der einstigen Solarhochburg Bitterfeld-Wolfen. Solarwatt fertigt in Dresden und Heckert Solar stellt seine Module in Chemnitz und in Langenwetzendorf her.
Daniel Hautmann ist freier Journalist für Technik, Energie und Umwelt in Hamburg.